Die Eiche vom Schlossplatz Berlin

Thomas Neumann

Eine Eiche, die an einem der prominentesten Orte in Berlin seit 1897 steht. Dieser Baum hat als Lebewesen mehrere Epochen der deutschen und europäischen Geschichte direkt miterlebt. Bis heute ist dieses Areal politisch aufgeladen und anhand der dortigen Architektur und Stadtplanung wird deutsche Historie und Identität kontrovers diskutiert.

Der Ort des Geschehens ist der Schlossplatz bzw. Marx-Engels-Platz in Berlin. Vor dem Schloss wurde 1897 das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal samt einer rückseitigen Grünfläche unterhalb der Schleusenbrücke errichtet. Kurz nach der Eröffnung wurde die Eiche gepflanzt.
Der Baum erlebt die Monarchie, ab 1918 die Novemberrevolution und die Weimarer Republik mit dem 1. Weltkrieg, später die Aufmärsche der Nazis und die Zeit des Faschismus von 1933-45. Während des 2. Weltkrieges kommt es zu heftigen Zerstörungen in Berlin Mitte. 1950 wird zuerst das Schloss und in den 1960ern die Bauakademie abgerissen. So entsteht der riesige Marx-Engels-Platz und die Eiche sieht Aufmärsche und Militärparaden der DDR. Mit dem Außenministerium (1966) und dem Palast der Republik (1973) entsteht das neue Zentrum Ost-Berlins. Ab 1989 erlebt die Eiche Demonstrationen zu Reformen und später die Wiedervereinigung. Das Außenministerium und der Palast der Republik werden abgerissen. Für einige Zeit ist der Platz wieder leer. Das Staatsratsgebäude der DDR wird von 1999 - 2001 Dienstsitz vom Bundeskanzler der BRD. Ab 2013 wird das Schloss in Form des Humboldt-Forums errichtet und 2021 eingeweiht. Das Einheits- und Freiheitsdenkmal an der Stelle des Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal soll 2025 eröffnet werden. Der Ort bleibt weiter umstritten.

Im Rahmen der Projektarbeit hat Thomas Neumann in 60 Archiven, Bibliotheken, Sammlungen mehr als 300 Fotografien von über 100 AutorInnen gefunden. Hinzu kommen seine eigenen Fotos und Videos. Analog zu seinem Verständnis von Geschichte entsteht ein vielstimmiges und teils widersprüchliches Bild des spezifischen Ortes. Durch die Nutzung von ganz unterschiedlichen Fotografien mit ihren jeweiligen Motivationen dahinter entsteht die Möglichkeit, eine andere Art der historischen Erzählung zu entwickeln.

Das Projekt hat eine konzeptionelle künstlerische Form, bei der einerseits die Geschichte des Stadtraumes erzählt wird und gleichzeitig die Fotografie selbst als Medium der Geschichtsschreibung betrachtet und befragt wird. Thomas Neumann entwickelt eine stark visuelle Sprache, die sich trotz der dokumentarischen Fotografien eher assoziativ und nicht-chronologisch entfaltet. Die BetrachterInnen können sich in die Topografie des Ortes "einschauen" und sich langsam die historischen und städtebaulichen Zusammenhänge
erschließen. Dabei kann es zu Verwirrungen, Missverständnissen, Entdeckungen und Erkenntnissen kommen, in denen Analogien zum politischen Zeitenlauf dieses Ortes erlebt werden können.

Die Recherche zum Projekt wurde im Jahr 2022 freundlich gefördert von Neustart Kultur.

 

© 2024 Thomas Neumann, VG Bild Kunst, bei den jeweiligen FotografInnen/AutorInnen

www.neumannthomas.com

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